L'autore:
Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk und 2015 mit dem »Edgar Allan Poe Award« den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis für Mr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag. Die letzte Veröffentlichung war der Bestsellerroman Finderlohn. Im Januar 2016 erscheint die neue Erzählsammlung Basar der bösen Träume.
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Eine Vorbemerkung
Nun, sieh einer an - wir sind alle da. Wir haben es wieder einmal geschafft. Ich hoffe, Sie freuen sich nur halb so sehr darüber, wieder hier zu sein, wie ich. Allein das zu sagen, erinnert mich an eine Geschichte, und da ich Geschichten erzähle, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen (und nicht den Verstand zu verlieren), möchte ich sie weitergeben.
Anfang dieses Jahres - ich schreibe dies Ende Juli 1989 -saß ich vor der Glotze und sah das Spiel der Boston Red Sox gegen die Milwaukee Brewers. Robin Yunt von den Brewers trat aufs Schlagmal, und die Berichterstatter aus Boston fingen an, über die Tatsache zu staunen, daß Yount erst Anfang Dreißig ist. "Manchmal scheint es, als hätte Yount schon Abner Doubleday geholfen, die allerersten Foul-Linien zu ziehen", sagte Ned Martin, während Yount in die Box trat und sich Roger Clemens stellte.
"Jawoll", stimmte Joe Castiglione zu. "Ich glaube, er kam gleich nach der Schule zu den Brewers - er spielt seit 1974 für sie."
Ich richtete mich so schnell auf, daß ich fast eine Dose Pepsi-Cola verschüttete. Moment mal! dachte ich. Einen verdammten Moment mall 2974 habe ich mein erstes Buch veröffentlicht! So lange ist das noch nicht her! Was soll der Mist von wegen Abner Doubleday helfen, die ersten Foul-Einien zu ziehen?
Dann fiel mir auf, daß die Wahrnehmung, wie die Zeit verrinnt - ein Thema, das in den nachfolgenden Geschichten immer wieder auftaucht-, eine höchst individuelle Angelegenheit ist. Es stimmt, die Veröffentlichung von Carrie im Frühjahr 1974 (das Buch wurde tatsächlich zwei Tage vor Beginn der Baseball-Spielzeit veröffentlicht, als ein Teenager namens Robin Yount sein erstes Spiel für die Milwaukee Brewers ausfocht) scheint mir selbst noch nicht lange her zu sein - kaum mehr als ein rascher Blick zurück über die Schulter -, aber es gibt andere Möglichkeiten, die Jahre zu zählen, und manche sprechen dafür, daß fünfzehn Jahre wahrhaftig eine lange Zeit sein können.
1974 war Gerald Ford Präsident, und der Schah hatte im Iran noch das Sagen. John Lennon lebte noch, ebenso Elvis Presley. Donny Osmond sang mit hoher Säuselstimme mit seinen Brüdern und Schwestern. Videorecorder waren bereits erfunden, aber nur in einigen wenigen Geschäften erhältlich. Fachleute sagten voraus, daß Sonys Beta-Maschinen binnen kürzester Zeit das als VHS bekannte Konkurrenzsystem in Grund und Boden stampfen würden. Es war noch unvorstellbar, daß die Leute einmal Filme ausleihen könnten, wie sie früher Romane in öffentlichen Bibliotheken ausgeliehen hatten. Die Benzinpreise waren geklettert: elf Cent pro Liter Normalbenzin, dreizehn für bleifreien Sprit.
Die ersten weißen Haare auf meinem Kopf und in meinem Bart waren noch nicht da. Meine Tochter, die mittlerweile das College besucht, war vier. Mein ältester Sohn, der inzwischen größer ist als ich, Blues-Harp spielt und wallende, schulterlange Sammy-Hagar-Locken trägt, war gerade von Windeln zu normalen Höschen übergewechselt. Und mein jüngster Sohn, der heute als Werfer und erster Schläger für eine Jugendliga-Mannschaft spielt, sollte erst drei Jahre später geboren werden. Die Zeit hat so eine seltsame Plastikeigenschaft, und alles, was geht, kommt wieder. Wenn man in den Bus steigt, denkt man, daß er einen nicht weit bringt - vielleicht quer durch die Stadt, nicht weiter-, und auf einmal ist man schon auf dem nächsten Kontinent. Finden Sie diesen Vergleich ein wenig naiv? Ich auch, aber der Knaller ist: Das spielt gar keine Rolle. Das grundlegende Rätsel der Zeit ist so perfekt, daß selbst triviale Beobachtungen wie die, die ich gerade angestellt habe, eine seltsam schallende Resonanz bekommen.
Eines hat sich im Lauf dieser Jahre nicht geändert - was meines Erachtens der Hauptgrund dafür ist, daß es mir (und Robin Yount wahrscheinlich auch) manchmal so vorkommt, als wäre überhaupt keine Zeit verstrichen. Ich mache immer noch dasselbe: Geschichten schreiben. Und das ist für mich immer noch mehr als nur das, was ich kann; es ist das, was ich liebe. Oh, verstehen Sie mich nicht falsch - ich liebe meine Frau, und ich liebe meine Kinder, aber es ist immer noch ein Vergnügen, diese speziellen Nebenstraßen zu suchen, sie zu befahren und festzustellen, wer dort lebt, was sie machen, mit wem sie es machen und vielleicht sogar warum sie es machen. Ich finde immer noch Gefallen daran, wie seltsam das alles ist - und an den überwältigenden Augenblicken, wenn das Bild klar wird und Ereignisse sich zu einem Muster zusammenfügen. Und Geschichten haben immer einen langen Schwanz. Das Tier ist schnell, und manchmal bekomme ich es nicht zu fassen, aber wenn ich es zu fassen bekomme, klammere ich mich daran fest. . . und das Gefühl ist großartig.
Wenn dieses Buch 1990 veröffentlicht wird, bin ich sechzehn Jahre im Geschäft des schönen Scheins. Auf halbem Weg durch diese Jahre, als ich durch einen Prozeß, den ich immer noch nicht völlig verstehe, zum literarischen Schreckgespenst Amerikas geworden war, veröffentlichte ich ein Buch mit dem Titel Frühling, Sommer, Herbst und Tod. Es handelte sich um eine Sammlung von vier bis dahin unveröffentlichten Kurzromanen, von denen drei keine Horror-Stories waren. Der Verleger hat das Buch frohen Herzens akzeptiert, aber ich glaube, auch mit einigen geistigen Vorbehalten. Ich hatte auf jeden Fall welche. Wie sich herausstellte, hatten wir beide keinen Grund zur Sorge. Manchmal veröffentlicht ein Schriftsteller ein Buch, das einfach von Natur aus Glück hat, und ich glaube, mit Frühling, Sommer, Herbst und Tod war es bei mir so.
Eine Geschichte (>Die Leiche<) wurde verfilmt (Stand By Nie), und zwar recht erfolgreich . .. die erste wirklich erfolgreiche Verfilmung eines meiner Werke seit Carrie (ein Film, der in die Kinos kam, als Abner Doubleday und Sie-wissen-schon-wer die ersten Foul-Linien gezogen haben). Rob Reiner, der bei Stand By Me Regie geführt hat, ist einer der mutigsten, klügsten Filmemacher, die ich je kennengelernt habe, und ich bin stolz auf meine Zusammenarbeit mit ihm.
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