L'autore:
Allison Brennan arbeitete dreizehn Jahre lang als Beraterin der Justiz von Kalifornien, bevor sie ihren Beruf aufgab, um sich ausschließlich dem Schreiben und ihrer Familie zu widmen – mit Erfolg. Allison Brennan ist mittlerweile eine vielfache New-York-Times- und USA-Today-Bestsellerautorin. Zuletzt erschien im Diana Verlag ihr Roman Furcht soll dich begleiten. Sie lebt mit ihrem Ehemann Dan und ihren fünf Kindern im Norden von Kalifornien.
Estratto. © Riproduzione autorizzata. Diritti riservati.:
Livie hob den Kopf und blickte zum Himmel hinauf; es war später Nachmittag. Sie runzelte die Stirn, schlang die Arme um sich. "Missy, bittää, bittäa. Ich will nach Hause. 's wird regnen."
"Du möchtest nach Hause gehen, weil es regnen wird", sagte Missy, ohne von ihrem Buch aufzublicken.
Nur weil sie in der vierten Klasse war, lauter Einser hatte und auf der Bestenliste stand, korrigierte Missy immer alles, was Livie sagte. Livie hasste das, aber weil ihre Schwester später einmal Lehrerin werden wollte, brauchte sie Übung.
Ein kurzer Windstoß erfasste Livie, der sich aber schnell wieder zu einer leichten Brise abschwächte und verwehte. "Missy, mir ist kalt."
Ihre Schwester verdrehte die Augen und seufzte laut auf wie immer, wenn sie sich über Livie ärgerte. Sie wollte damit ausdrücken, dass Livie eine Nervensäge war.
"Zehn Minuten noch, okay? Ich möchte dieses Kapitel zu Ende lesen."
"Gut." Livie zog eine Schnute.
Sie griff wieder zu ihrer Schaufel und spielte gedankenverloren im Sand, buddelte und beobachtete die Sandkörner, die langsam hinunterrieselten. Sie liebte den Park, aber nur, wenn auch noch andere Kinder da waren.
Die Schaukel mochte sie am liebsten. Livie stieß sich immer fester mit den Füßen ab, um zu sehen, ob sie bis ganz hinauf und rundherum fliegen konnte, doch bisher hatte sie es nicht geschafft. Ihr Daddy hatte sie furchtlos genannt. Missy sagte, sie sei dumm. Und die Mutter erklärte, sie würde sich eines Tages ein Bein brechen und so ihre Lektion lernen.
Morgen war Halloween. Livie war kein Angsthase, aber vergangene Woche hatte sie einen Film über Geister gesehen, und seitdem wollte sie nicht mehr draußen sein, wenn es dunkel war. Fünf Minuten nachdem die Straßenlaternen angegangen waren, mussten sie zu Hause sein, das war Vorschrift, aber Livie wollte jetzt nach Hause gehen. Die Sonne war schon hinter dem zweistöckigen Haus der Pattersons mit der hübschen rosa Zierleiste untergetaucht. "Missy", bettelte Livie.
Ihre Schwester ignorierte sie, und Livie schmetterte ihre Schaufel auf den Boden. Sie stand auf und ging zur Schaukel auf der anderen Seite des Spielplatzes. Sie hatte heute keine Lust zu fliegen, also schaukelte sie langsam vor und zurück, ohne sich anzustrengen. Sie hatte Gänsehaut auf den Armen, als der Wind mit zornigen Böen blies. Rote, orangefarbene und braune Blätter flatterten über den Rasen und wurden vom Wind vertrieben.
Livie mochte den Frühling lieber, wenn alles grün und hell und sonnig war. Wenn nicht jeden Morgen alles feucht vom Nebel war, der sich manchmal bis Mittag nicht auflöste. Aber bis zum Frühling waren es noch ganze sechs Monate. Livie würde im nächsten Frühling sechs werden. Sie zählte die Monate im Kopf. Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober ... Sie war fünfeinhalb. Gestern war sie fünfeinhalb geworden.
Sie sprang von der Schaukel und lief zu Missy zurück, um ihr zu sagen, was sie eben herausgefunden hatte. Sie blieb stehen.
Missy war nicht allein.
Ein Mann redete mit ihr. Er war sehr groß, wenn auch nicht so groß wie Daddy und auch nicht so alt. Er trug keine Jacke. Wusste er nicht, dass man sich den Tod holen konnte, wenn man bei diesem Wetter ohne Jacke draußen war? Und einen Arm hatte er mit blauem Filzstift bemalt.
Mit einem Kribbeln im Bauch, das sich ganz komisch anfühlte, lief Livie auf die beiden zu. Missy schien keine Angst zu haben, aber sie hatte vorige Woche schließlich auch nicht diesen Geisterfilm geguckt. Livie biss sich auf die Lippe. Sie wollte keine Heulsuse sein, aber sie wollte endlich nach Hause. Jetzt gleich. Und wenn sie weinen musste, um sich durchzusetzen, dann würde sie weinen. Missy gab immer nach, wenn sie weinte.
"Missy?", rief sie.
Der Mann drehte sich um und sah sie mit irgendwie merkwürdig zusammengekniffenen Augen an. Er nahm Missys Arm. "Komm!"
"Nein!", schrie Missy und wollte sich losreißen.
Livie rannte schneller auf die beiden zu. "Lass meine Schwester los! Lass sie los!"
Der Mann hob Missy genau in dem Moment auf, in dem Livie bei ihm ankam. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, aber sie wusste, dass Fremde nicht immer nett waren, und dieser Mann mit dem blauen Vogel auf dem Arm warf sich Missy einfach über die Schulter.
Bevor Livie ihre Schwester packen konnte, schlug der Mann nach ihr. Sie stürzte und bekam keine Luft mehr. Sie hatte einen komischen Geschmack im Mund, genauso wie im letzten Sommer, als sie ihren ersten Zahn verloren hatte. Sie versuchte zu schreien, würgte jedoch an ihrer Spucke.
Als sie aufstand, taumelte sie. Ihre Augen schwammen in Tränen und ließen alles um sie herum unscharf erscheinen. Der Mann hielt Missy fest und lief mit ihr über den Rasen zur Straße. "Daddy!", schrie Livie zwischen einzelnen Schluchzern. "Hilfe! Hilfe!"
Der Mann öffnete die Tür eines schwarzen Trucks und warf Missy hinein. Als sie versuchte herauszuspringen, schlug er sie mit etwas, das aussah wie ein großer Stock, dann lief er zur Fahrerseite herum und fuhr davon.
Missy versuchte nicht noch einmal herauszuspringen.
Livie weinte auf dem ganzen Weg nach Hause.
"Daddy! Daddy!"
Ihr Vater riss die Tür auf, das Gesicht voller Sorge. "Olivia! Was ist passiert? Wo ist Melissa?" "Ein Mann hat sie mitgenommen!"
Mommy schrie, und Daddy packte Livies Arm und zog sie ins Haus. Er schob sie zu ihrer Mommy und rannte zur Tür. "Ruf die Polizei!", brüllte er, als Livie gerade in die Trost spendenden Arme ihrer Mommy sank.
Die kurze Umarmung war jäh zu Ende.
Es war die letzte Umarmung, die sie von ihrer Mutter bekam.
Der Tag, an dem Olivia St. Martins Leben zum zweiten Mal auf den Kopf gestellt wurde, begann wie jeder andere.
Sie schob zwei Objektträger auf die Glasplatte des Mikroskops, beugte sich über das Okular und stellte die Sehschärfe ein, bis die winzigen Teppichfasern deutlich wurden. Sie bemerkte die Übereinstimmung sofort, ging aber für ihren Bericht jeden einzelnen Punkt durch und notierte ihn auf ihrem Laborzettel.
Le informazioni nella sezione "Su questo libro" possono far riferimento a edizioni diverse di questo titolo.