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Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte: Verdrängte Vergangenheit, Österreich-Identität, Waldheim und die Historiker: 13 - Brossura

 
9783593381206: Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte: Verdrängte Vergangenheit, Österreich-Identität, Waldheim und die Historiker: 13
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Seit der Waldheim-Affäre 1986/87 kann die NS-Vergangenheit Österreichs nicht länger "verdrängt" werden: der Beitrag vieler Österreicher zum Nationalsozialismus und zur Vernichtungspolitik, die unterschiedliche Rolle von Antisemitismus und Widerstand sowie das autoritäre Regime in Österreich vor dem "Anschluß". Mit der deutschen Vereinigung wurde zudem die Frage nach der Identität zwischen "deutscher Geschichte" und "österreichischer Nation" neu aufgeworfen. In diesem Band werden diese Fragen durchaus kontrovers diskutiert und die Vielfalt heutiger Geschichtsinterpretationen umfassend dargelegt - von den aufklärerischen Anstrengungen der Zeitgeschichte bis zu populären, traditionellen Geschichtsbildern, die sich als erstaunlich resistent erweisen. Die Neuauflage wurde um ein aktuelles Nachwort sowie offizielle Reden österreichischer Politiker aus der Zeit von 1988 bis 2007 ergänzt.

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UNIVERSALISTISCHE HOLOCAUST-ERINNERUNG
Es ist heute klarer als während der Historiker-Kontroversen von 1987/1994, dass es sich bei den primär innerösterreichischen geschichtspolitischen Konflikten nicht einfach um einen „Sturm im Wasserglas“ handelte, auch nicht um eine einfache politische Einflussnahme des Auslandes auf ein „kleines Land“. Die Waldheim-Affäre war in Österreich Vorzeichen und Indikator eines nicht nur politischen, sondern auch geschichtsmentalen Paradigmenwechsels, der sich damals in ganz Europa durchsetzte und der in Österreich im vollen Ausmaß erst verspätet, etwa um 1995, wirksam wurde. Noch vor dem Kollaps des Sowjetimperiums begann im abklingenden Kalten Krieg das Land des Schonraumes, den es nicht nur zwischen Ost und West innegehabt hatte, verlustig zu gehen. Österreich konnte sich nicht mehr länger auf die alte „goldene Regel des internationalen Systems“ verlassen, die es jahrzehntelang davor bewahrt hatte, allzu heftig an seine unbewältigte NS-Vergangenheit gemahnt zu werden. Dasselbe trifft übrigens auch für viele westeuropäische Länder zu, die bis Mitte der 1980er-Jahre gleichsam unter einer vergangenheitspolitischen Käseglocke lagen. Die beginnende Internationalisierung der nationalen Politiken (zunächst nur in Westeuropa), manchmal in Abhängigkeit voneinander und von globalen Entwicklungen, manchmal gegenläufig hierzu, war es, die aus ihrer Eigenlogik tiefgreifende Veränderungen in den europäischen Erinnerungs- und Geschichtskulturen, und schließlich auch in Österreich, hervorbrachte oder doch begünstigte. Wie der Historikerstreit von 1986/87 in Deutschland, das Offenlegen des französischen Vichy-Syndroms und andere westeuropäische Historikerkontroversen zeigten, begannen sich in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre europaweit viele alte Selbstverständlichkeiten aufzulösen, ohne dass die politisch Verantwortlichen, die Massenmedien und große Teile der Staatsbürger Österreichs dies schon erkennen konnten oder wollten. Nur so konnte letztlich die Waldheim-Affäre passieren, als Rache einer verdrängten NS-Geschichte an der Gegenwart.
Vor allem drei staatenübergreifende Prozesse waren es, die sich in den ausgehenden 1980er-Jahren in Österreich schnitten und die internen zeitgeschichtlichen Diskurse nährten. Dies war zunächst das Abklingen der Ost-West-Spannung, die durch die „samtenen Revolutionen“ in (Ost-)Mitteleuropa und durch den Zerfall der kommunistischen Staatensysteme weiter stark reduziert wurde und in die wachsende Hegemonie der USA mündete. Damit setzte sich auch eine beschleunigte wirtschaftliche und kulturelle „Globalisierung“ durch. Mindestens ebenso bedeutungsvoll war die zunehmende europäische Integrationsdynamik, die es schon vor dem Kollaps der Sowjetunion, die bisher auf der österreichischen Neutralität insistiert hatte, gestattete, sich auf einen Beitritt zur EU zu orientieren; dies bewirkte einen Anpassungsdruck und mündete 1995 in Österreichs EU-Beitritt. Diese Faktoren hatten nachhaltige Auswirkungen nicht nur auf die österreichische Innen- wie Außenpolitik, sondern auch auf ein neues Geschichtsbewusstsein und die politische Symbolik, nicht zuletzt auch auf viele Praxisfelder der österreichischen Human­wissenschaften.
In den USA war bereits seit den 1980er-Jahren der Holocaust über eine innerjüdische, identitätsstiftende Gruppenerinnerung hinaus zu einem gesamtamerikanischen, ja universellen Referenzpunkt für eine Art „kollektiven Gedächtnisses“ geworden, wie der amerikanische Historiker Peter Novick herausgearbeitet hat. Das „Holocaust-Gedächtnis“ begann Allgemeingut zu werden, das über die verschiedensten sozialen Räume und partikularen Kulturen hinweggriff; selbst in den westeuropäischen Nationalstaaten begann es, deutlich in den 1990er-Jahren, wirksam zu werden und die jeweiligen nationalen Opfer-, Widerstands- und Neugründungsmythen zu erodieren. Auch dort waren nach der realen Bedrohung durch das „pangermanische Reich“ Hitlers und als Folge der innenpolitischen Erschütterungen des Zweiten Weltkrieges heroische Widerstandserzählungen und Opfermythen entstanden, die nach 1945 im Sinne der Nationen- und Demokratie-Neubildungen durchaus funktional gewesen waren.
Die Erinnerung an den Holocaust und das Schicksal der Juden im Dritten Reich wurde in der nordamerikanisch-europäischen Welt zu einem universalistischen Argumentationsmuster, das die Geschichte des 20. Jahrhunderts in eine „Großerzählung“ einordnete und die vielfältigen nationalen Erinnerungen an Zweiten Weltkrieg, Widerstand und politische Verfolgung in den Hintergrund treten ließ. Von den USA und Israel ausgehend griff dieses geschichtsphilosophische Paradigma, welches als das einer „zweiten Moderne“ angesehen wird (Ulrich Beck), zunächst auf Westeuropa und Deutschland über, bis es auch Österreich und ab 1989/90 die osteuropäischen Nationen erfasste. So stellten die Soziologen Daniel Levy und Natan Sznaider die plausible These auf: „Die Vergangenheit wird verwischt, indem Staaten sich nun nicht mehr einfach als Gegner des Nazismus oder als neutral bezeichnen können. Alle werden schuldig. Die Vergangenheit der ‚neutralen’ Schweiz oder Schwedens wird auch dort neu überdacht. [...] Europa wird zum ‚Täter’, die Opfer waren die Juden Europas. Die alte Formel, daß Deutschland ‚schuldig’ war, machte den Rest Europas ‚unschuldig’. Nun sind alle schuldig.“
„Amerikanisierung“ und „Globalisierung“ schufen sich so eine neue über- und transnationale geschichtsmoralische Begrifflichkeit in der Antithese zum nationalsozialistischen Judenmord, der symbolisch jeden anging und überall wieder auftreten konnte, damit auch gegenwärtige globale Wirtschafts- und Außenpolitiken legitimierte. Zusammen mit den konkreten Restitutionspolitiken und deren notwendig werdender innergesellschaftlicher Legitimierung stimulierte dies eine neu entstehende Holocaust-Forschung; damit prägte sie weitgehend die noch heute geltenden Fragestellungen und Grundlagen der österreichischen Zeitgeschichte wie auch vieler anderer (west-)europäischer Historiographien.
Zunächst scheint das „Holocaust-Gedächtnis“ um das Jahr 1986 nur kleine intellektuelle Zirkel in Österreich, die international aufgeschlossen waren, erfasst zu haben; dies waren vor allem Intellektuelle der zweiten oder dritten Nach-Holocaust-Generation, die um eine neue jüdische Identität rangen. Sie überlappten sich mit einem linkskritischen Milieu anderer jüngerer österreichischer Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler, so auch mit einem Teil der Zeit­ge­schichts­forschung, die als erste der Täterthese zuneigten. So begann auch das „Holocaust-Gedächtnis“ in Österreich ältere „kollektive Erinnerungen“ zu überlagern.
Dies war weniger noch oder überhaupt nicht der Fall gewesen, als 1970 die NS-Vergangenheit von vier Ministern in Kreiskys Regierung bekannt wurde und fünf Jahre später der sozialdemokratische Bundeskanzler in einer diffamierenden Weise Simon Wiesenthal angriff. Dagegen erregte 1985 der Handschlag des amtierenden Verteidigungsministers mit dem aus italienischer Haft entlassenen Kriegsverbrecher Walter Reder schon breitere negative Aufmerksamkeit. Innerhalb Österreichs brach dabei und verstärkt in den Konflikten um Waldheim noch einmal kaum gebremst die „paranazistische“ Gegenerinnerung der alten Kriegsgeneration auf, die im Präsidentschaftswahlkampf mit der offiziösen österreichischen Opferthese um die Waldheim-Verteidiger verschmolz, um schließlich in Haiders Protestbewegung aufzugehen. In der Konfrontation mit der westlichen Welt und deren dominanter „Meistererzählung“ von der NS-Vergangenheit, aber auch durch die innerösterreichisch wirksam werdende Infragestellung der Opferthese wurden diese Alt- und Uralt-Geschichtsbilder schließlich delegitimiert. Genau dies sprach auch Waldheim in seinem Interview vom 25. Jänner 2006 an, als er meinte, er habe – im österreichischen diplomatischen Dienst konditioniert – diesen Wandel nicht rechtzeitig mitbekommen. (Allerdings hätte ihm sein langer Aufenthalt in den USA die Augen schon früher öffnen können.) Im Rückblick erscheint daher die Waldheim-Affäre struktur- und mentalitätsgeschichtlich als ein Zusammenprall bzw. Zusammenspiel von verschiedenen „kollektiven Erinnerungen“, aus denen als Kompromiss das um 2005 dominant werdende modifizierte „Opfer-Täter-Gedächtnis“ hervorging. In diesem Zu­sammenhang ist heute die transnationale Dimension der Waldheim-Affäre erst voll erkennbar.

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