L'autore:
Thomas Lorenz, Dr. phil., Historiker, promovierte an der Universität Marburg.
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Überblickt man den Diskurs der Weimarer Republik über den Versailler Vertrag, offenbart sich, daß dieser, wie auch in der Forschung festgestellt wurde, allgemein zurückgewiesen wurde. Diese allgemeine Zurückweisung des Friedensvertrages kann man als vielstimmigen Gleichklang bezeichnen. Gleichklang deshalb, weil die inhaltliche Zurückweisung von allen vertreten wurde, vielstimmig, da diese Zurückweisung von verschiedenen Organisationen, Verbänden und Parteien, Einzelpersonen, aber auch an verschiedenen Orten und in verschiedenen Medien vertreten wurde. Der Charakter des Versailler Vertrages wurde allgemein als unerträglich, unmöglich und unerfüllbar bezeichnet.
Es war die Bühne des Parlaments, auf der die Vertreter der Parteien ihre Zurückweisung öffentlich bekundeten - nicht umsonst wird in der Forschung stets die Sitzung vom 12. Mai 1919 als Beispiel für die allgemeine Zurückweisung angeführt -, die Publizistik in Form von Tageszeitungen, Zeitschriften und Broschüren und Büchern, in der diese vertreten wurde, aber auch Ausstellungen und andere bildlich orientierte Darstellungen wurden herangezogen, um sich gegen den Friedensvertrag auszusprechen. Dieser vielstimmige Gleichklang war kein Phänomen nur eines bestimmten Zeitabschnitts der Weimarer Republik, sondern er war ein Charakteristikum der Gesamtepoche der Weimarer Republik. Insofern muß man die Haltung gegenüber dem Friedensvertrag als Zeitgeistphänomen ansehen.
Man darf aber nicht davon ausgehen, daß der inhaltliche Gleichklang der Zurückweisung zu einer Zusammenarbeit der verschiedenen Gruppierungen geführt hätte. Die Forschung hat bezüglich der Weimarer Republik hinlänglich herausgearbeitet, daß die einzelnen Parteien oder Verbände keine Übung im demokratischen Prozedere des Kompromisses hatten und ihren eigenen Vorteil in den Vordergrund stellten. Wenn diese Organisationen inhaltlich in der Bewertung des Friedensvertrages übereinstimmten, so kann daraus nicht geschlossen werden, daß die stets geforderte "Einheitsfront" gegen den Versailler Vertrag auch Wirklichkeit wurde. Die Betonung der notwendigen Einheitlichkeit gegen Versailles hieß meist, daß die eigene Organisation in dieser Front an der Spitze stehen müsse. Versailles war auch ein Thema in der zwischenorganisatorischen Auseinandersetzung. So kann man im Versailles-Diskurs einen Inhalts- und einen Funktionsaspekt unterscheiden. Der erste bezieht sich auf die inhaltlich gleichlautende Zurückweisung, der zweite auf die Funktion der Thematisierung des Versailler Vertrags in der zwischenorganisatorischen Auseinandersetzung.
Aus der Einforderung einer Einheitsfront aller Deutschen gegen den Versailler Vertrag unter der Führung der jeweils eigenen Organisation folgte eine Radikalisierung und Versteifung der Gegensätze zwischen diesen Organisationen, so daß die geforderte Einheitsfront mit zunehmender Zeit in immer weitere Ferne rückte. Während der gemeinsame Schrei der Empörung in den Monaten Mai bis Juni 1919 noch partei- und verbandsübergreifend war, reichte er aber nicht aus, diese verschiedenen Organisationen zusammenzubringen in ihrer Arbeit gegen den Friedensvertrag. Dadurch, daß nahezu jede Organisation für sich die Führerschaft im Kampf gegen Versailles einforderte, kam es zu einer Steigerung in der Rivalität, die sich zwar nicht auf die inhaltliche Wahrnehmung des Friedensvertrages auswirkte, aber auf das Verhältnis der einzelnen Organisationen untereinander. Das Schicksal der Weimarer Republik im allgemeinen spiegelt sich im besonderen im Versailles-Diskurs wider.
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