Stummer Verrat: Roman - Brossura

Scott, Lisa

 
9783442370719: Stummer Verrat: Roman

Sinossi

Juristinnen können sehr sexy sein – und gefährlich

Natalie Greco, Juraprofessorin italienischer Herkunft, unterrichtet an der Universität von Pennsylvania. Als ihr attraktiver Kollege Angus Holt ihr einen Kurs am lokalen Gefängnis anbietet, stimmt sie zu. Mitten in ihrem ersten Vortrag bricht ein Aufstand aus. Nats Leben gerät in Gefahr und – als sie Zeuge der letzten, brisanten Worte eines Gefängniswächters wird – außer Kontrolle. Denn während sie selbst des Mordes verdächtigt wird, trachtet ein anderer nach ihrem Leben. Nat nimmt die Mördersuche selbst in die Hand. Ihre Gefühle und ihre Familie sind dabei nicht immer hilfreich ...

Extraklasse – spannend, raffiniert konstruiert und mit einer hinreißenden italoamerikanischen Heldin

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Informazioni sull?autore

Lisa Scott hat als Anwältin für das US-Berufungsgericht und in einer großen Kanzlei in Philadelphia gearbeitet. Bereits ihr erster Roman Die Katze war noch da wurde von Publikum und Kritikern gleichermaßen gefeiert. Für ihr zweites Buch Rosen sind rot erhielt sie den Edgar-Allan-Poe-Preis, den begehrtesten Preis für Kriminalliteratur in Amerika. Ihre Bücher wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Lisa Scott lebt als freie Schriftstellerin in der Nähe von Philadelphia.

Estratto. © Ristampato con autorizzazione. Tutti i diritti riservati.

Nat Greco fühlte sich wie ein A-Körbchen in einem 95 C-BH. Sie konnte nicht verstehen, warum sie ihr schlecht besuchtes Seminar in diesem riesengroßen Vorlesungssaal abhalten musste. Vielleicht war es nur ein grausamer Scherz der Administration. Die Sonne brannte durch die Fenster wie ein monströser Scheinwerfer und beleuchtete zweihundert leere Sitze. Zu ihrem Seminar gehörten nur neun Studenten, und letzte Woche waren acht von ihnen wegen Jobsuche und Grippe nicht gekommen, sodass Nat sich einem einzigen Teilnehmer gegenübergesehen hatte, dem das Ganze ziemlich unangenehm gewesen war. Die Dozentin für Rechtsgeschichte war kaum beliebter als ihr Fach.
»Recht und Gerechtigkeit«, fuhr sie unverdrossen fort, »sind Themen, die sich in allen Stücken Shakespeares finden, weil sie in seinem Leben eine zentrale Rolle spielten. Als er jung war, übte sein Vater John mehrere rechtliche Funktionen aus, er war Schatzmeister, Gerichtsvollzieher und Stadtrat.«
Während sie sprach, tippten die Jurastudenten eifrig auf ihren schwarzen Laptops, aber Nat hatte den Verdacht, dass sie nicht mitschrieben, was sie sagte, sondern E-Mails sendeten oder im Internet surften. Die Vorlesungsräume der Juristischen Fakultät der Penn University waren mit WLAN ausgestattet, aber nicht jede neue Technologie war ein Fortschritt. Lehrer hatten wenig Chancen gegen die Übermacht von sex.com.
»Als der junge Dichter dreizehn Jahre alt wurde, geriet sein Vater in finanzielle Schwierigkeiten. Er verkaufte den Besitz seiner Frau und begann, Geld zu verleihen. Zweimal stand er vor Gericht, weil man ihn des Wuchers bezichtigte, ihm vorwarf, zu hohe Zinsen zu nehmen. Im Kaufmann von Venedig kann man sehen, wie sehr Shakespeare an der Figur des Geldverleihers Anteil nimmt. Shylock ist eine seiner komplexesten Gestalten, und das Stück ist in rechtsgeschichtlicher Hinsicht äußerst aufschlussreich.«
Nat trat vom Pult zurück und hoffte, damit die Aufmerksamkeit der Studenten auf sich zu ziehen, aber es nützte nichts. Sie waren bereits im dritten Studienjahr und standen fast alle schon mit einem Bein draußen in der Geschäftswelt. So sehr ihr das Unterrichten gefiel, Nat fragte sich allmählich, ob sie wirklich dafür geeignet war. War es möglich, dass ihr trotz ihrer Leidenschaft für dieses Fach die pädagogische Begabung fehlte? Frauenzeitschriften schlossen diese Möglichkeit allerdings aus.
»Zum Beispiel die Szene, in der Antonio Shylock bittet, ihm Geld zu leihen«, fuhr sie fort. »Sie kommen überein, dass Antonio, falls er die Summe nicht zurückzahlen kann, ihm ein Pfund seines eigenen Fleischs überlässt. Übrigens - eine Frage an Sie als zukünftige Anwälte: Wäre das nach moderner Rechtsprechung ein gültiger Vertrag?«
Nur eine Studentin hob die Hand. Wie üblich war es Melanie Anderson, die mit ihrer gefönten Vorstadtfrisur und ihrer altmodischen Jeans mit hohem Bund aus dieser Horde ungepflegter Mittzwanziger deutlich herausstach. Sie war vierzig und hatte sich nach einem langen Berufsleben als Kinderkrankenschwester auf einer Krebsstation entschlossen, Anwältin zu werden. Diesen Kurs liebte sie - aber nur deshalb, weil das Lernen viel angenehmer war, als kleinen Kindern beim Sterben zuzusehen.
»Ja, Ms Anderson? Gültig oder nicht?« Nat lächelte ihr dankbar zu. Alle Lehrer brauchen einen Lieblingsschüler, den sie hätscheln können, selbst die schlechten Lehrer. Besonders die schlechten Lehrer.
»Nicht gültig.«
Braves Mädchen ... äh, Frau. »Warum nicht? Es gibt zwei sich gegenüberstehende Vertragsparteien, beide geschäftsfähig, die eine übereinstimmende Willenserklärung abgegeben haben. Dazu eine Geldsumme, die ihren Handel bestätigt.«
»Verträge sind nichtig, wenn sie sittenwidrige Tatbestände zum Gegenstand haben.« Anderson sprach mit ruhiger Kennerschaft, und ihre Fingerspitzen mit den manikürten Nägeln ruhten auf dem aufgeschlagenen Buch, in dem einzelne Sätze in Regenbogenfarben markiert waren. »Antonio stimmt eigentlich seiner eigenen Ermordung zu, aber Mord ist ein kriminelles Delikt. Illegale Verträge sind nicht wirksam.«
Richtig. »Stimmt das? Gibt es Einwände?«
Niemand sah auf. Niemand fühlte sich bemüßigt, mit dem Tippen von albernen Botschaften und Emoticons aufzuhören, und wieder stiegen Zweifel in Nat auf, und sie fragte sich, ob das Thema nicht eigentlich zu literarisch sei für diese Studenten. Viele von ihnen besaßen Bachelor-Grade in Betriebs- oder Volkswirtschaft. Offenbar befriedigte das ihren Geist. Wer wollte heute noch etwas von den Geisteswissenschaften wissen?
»Dann stelle ich Ihnen eine weitere Frage.« Sie wollte nicht klein beigeben. »Ist der Hass, der Shylock antreibt, nicht das Ergebnis der Diskriminierung, unter der er leidet? Sehen Sie den Unterschied zwischen Recht und
Gerechtigkeit in diesem Stück? Führt nicht das Recht zu Ungerechtigkeit, zunächst, weil es zulässt, dass der Vertrag erfüllt wird, und dann, indem es Shylock in die Knie zwingt?« Sie hielt inne und wartete auf eine Antwort, die jedoch ausblieb. »Gut. Dann hören Sie jetzt bitte alle auf zu schreiben, und sehen Sie mich an.«
Die Studenten hoben die Köpfe. Ihre glasigen Blicke stellten sich allmählich wieder auf die unmittelbare Umgebung ein, während ihre Gedanken den Cyberspace verließen und in die Erdatmosphäre eintauchten. Doch ihre Finger schwebten noch über den Tastaturen wie Spinnen, die sich im nächsten Moment auf ihre Beute stürzen würden.
»Also, ich rufe Sie jetzt einzeln auf.« Nat wandte sich an Wendy Chu in der ersten Reihe, die ein Harvarddiplom mit Sternchen in Workoholismus besaß. Das Mädchen hatte ein hübsches Gesicht und schulterlanges, glänzendes Haar. »Ms Chu, was meinen Sie? Ist Shylock Opfer, Täter oder beides?«
»Tut mir leid, Professor Greco. Ich habe das Stück nicht gelesen.«
»Sie haben es nicht gelesen?«, fragte Nat betroffen. »Aber Sie lesen den Stoff doch sonst immer.«
»Ich hab die ganze Nacht an einem Artikel für die Fakultätszeitschrift gearbeitet.« Wendy Chu schluckte sichtbar. »Ich musste in einem Text von Professor Monterosso die Zitate checken, und es sollte heute Morgen in Druck gehen.«
Verdammt. »Na schön, aber Sie wissen, was das bedeutet. Wenn Sie den Stoff nicht lesen, muss ich Sie um eine halbe Note herunterstufen.« Nat gefiel es ganz und gar nicht, mit solchen Mitteln zu arbeiten, aber in ihrem ersten Jahr an der Universität war sie viel zu gutmütig gewesen, und das hatte sich nicht bezahlt gemacht. In ihrem zweiten Jahr war sie zu streng gewesen, was ebenso wenig funktioniert hatte. Einen Mittelweg hatte sie noch nicht gefunden. Es war immer entweder Zuckerbrot oder Peitsche, und beides passte einfach nicht zusammen.
»Tut mir leid«, wisperte Wendy Chu. Daraufhin wählte Nat den jungen Mann, der neben Melanie Anderson saß, Josh Carling, der Schwarm aller Frauen. Er war hochgewachsen, sechsundzwanzig, kam aus Kalifornien und hatte ungewöhnlich grüne Augen, ein umwerfendes Lächeln und ein winziges dreieckiges Bärtchen auf seinem willensstarken Kinn. In Hollywood war er Komparse in einer Fernseh-Sitcom gewesen. Sein Markenzeichen war die Strickmütze, die er nie absetzte, auch wenn es in Vorlesungsräumen nicht schneite.
»Mr Carling, haben Sie das Stück gelesen?« Als Nat sah, dass Josh verlegen auf seine Hände blickte, wusste sie auch schon die Antwort.
»Ich hatte keine Zeit. Ich musste für eine Finanz-Klausur lernen. Sorry. Echt.«
Das gibt's doch nicht! »Dann sind Sie hiermit ebenfalls um eine halbe Note heruntergestuft«, sagte sie, obwohl ihr Gefühl anderer Meinung war. Carling strebte einen Abschluss in zwei Fächern an. Er würde die Universität mit einem Diplom in Jura und Betriebswirtschaft verlassen und brauchte sich um seine Zukunft keine Sorgen mehr zu machen. Der angestrebte Job in der Unterhaltungsindustrie war ihm sicher, was gleichbedeutend war mit einem Dukatenesel im Stall.
Nat ließ ihren Blick über die zweite Reihe wandern. »Mr Bischoff? Was ist mit Ihnen?«
»Ich hätte das Stück bestimmt gelesen, aber ich war krank.«

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